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Der Genisafund aus der Bayreuther Synagoge

genisa

Nach jüdischem Glaubensgesetz dürfen bestimmte religiöse Schriften und Kultgegenstände nicht vernichtet werden, wenn sie unbrauchbar geworden sind, sondern müssen rituell bestattet werden. Wohl aus Respekt gegenüber sämtlichem Schriftgut, ganz besonders jenem in den heiligen hebräischen Buchstaben der Bibel geschriebenen, entstand der Brauch, weit mehr Objekte als von der Regelung vorgeschrieben aufzubewahren. Sie wurden zunächst zu Hause gesammelt und schließlich zu einem zentralen Sammelplatz in der Gemeinde gebracht, an dem man sie niederlegte. Diese Ablage ist die Genisa. Als Ablageort waren besonders die Dachböden der Synagogen beliebt, da sie reichlich ansonsten ungenutzten Raum und gleichzeitig eine würdige Ruhestätte in heiliger Umgebung boten.

In Süddeutschland, wo bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten über Jahrhunderte vielerorts gut strukturierte jüdische Gemeinden existierten, überstanden zahlreiche Synagogengebäude die Pogromnacht von 1938, und so überdauerten auch einige Genisot auf deren Dachböden die nachfolgenden Jahrzehnte, wenn auch zunehmendem Verfall ausgesetzt. Erst bei umfassenden Renovierungsarbeiten an den Dächern und Dachstühlen wurden und werden sie dort entdeckt. Seit dem Auffinden einiger größerer Genisot in den 1980er-Jahren entwickelte sich das Bewusstsein, dass diese „papierenen Scherbenhaufen“ weit mehr sind als „Sacred Trash“, dass sie vielmehr einen tiefen Einblick geben können in das Leben der jüdischen Gemeinden des 17., 18. und 19. Jahrhunderts.

Als anlässlich des 250-jährigen Jubiläums der Einweihung der Bayreuther Synagoge beschlossen worden war, das historische Gebäude zu renovieren, war man sich daher innerhalb der Israelitischen Kultusgemeinde der Möglichkeit bewusst, dass in der Synagoge eine Genisa existieren könnte, und reagierte sofort, als in Mauerhohlräumen unter den Bodendielen des Dachbodens zuerst ein paar zerfledderte Schrift­stücke und dann ein großer staubiger Haufen alter hebräischer Schriften ans Tageslicht kamen. Umgehend setzte sich Felix Gothart, der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, mit der Leitung des Genisaprojekts Veitshöchheim in Verbindung. Nach einem ersten Ortstermin Anfang Dezember 2009 und nachdem zwischen der Israelitischen Kultusgemeinde Bayreuth, der Oberfrankenstiftung und der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern eine Übereinkunft über die Bereitstellung der erforderlichen finanziellen Mittel getroffen worden war, wurde das Genisaprojekt Veitshöchheim mit der fachgerechten Bergung, Auswertung und Inventarisierung des Fundes beauftragt.

Mit der methodischen Bergung einer Genisa betraten Elisabeth Singer-Brehm M.A. und Beate Weinhold M.A., die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Genisaprojekts, Neuland, denn alle bisherigen deutschen Genisafunde waren wenig bis gar nicht dokumentiert abgetragen worden. Wichtig für die Genisaforschung ist es, festzuhalten, in welchem Bereich des Dachbodens ein Fundfragment lag und, bei aufgeschichtetem Material, ob es sich dort in einer tieferen oder einer höheren Schicht befand. Die Bayreuther Genisa war fast ausschließlich in einem Hohlraum im Kopfbereich des zweischaligen Außenmauerwerks abgelegt. Der Dachstuhl ist so konstruiert, dass an allen vier Gebäudeseiten dem Außenmauerwerk rechtwinklig Balken aufliegen. Es bot sich an, diese Balken zur Begrenzung der Dokumentationsfelder zu verwenden, und wo eine weitere Unterteilung der Felder erforderlich war, erwiesen sich zwischen die beiden Mauern eingeklemmte Maßstäbe als geeignet.

Das im Anschluss an die Bergung erstellte Inventar übernimmt diese Strukturierung der Fundsituation, beginnt also mit Feld I, endet bei Feld LVIII und behält zudem die weitere Untergliederung bei, so dass darin nicht nur die genaue Fundlage jedes Einzelstücks festgehalten wurde, sondern auch die räumliche Gruppierung auf einen Blick erkennbar bleibt. Diese Vorgehensweise impliziert, dass immer dann, wenn Fragmente ein und desselben Druckes auf mehrere Felder verteilt lagen, dieser Druck auch mehrfach im Inventar erfasst ist.

Die vorliegende von Elisabeth Singer-Brehm in Zusammenarbeit mit scientific|Media, Berlin, im Auftrag der Israelitischen Kultusgemeinde Bayreuth erstellte Onlinepräsentation übernimmt diese an der Fundsituation orientierte Struktur.